Als ich gestern gelesen habe, dass Harry Rowohlt gestorben ist, war ich traurig. Es scheint ein schlimmes Jahr zu sein, so viele Größen treten ab. Christopher Lee beispielsweise ist für mich nicht nur ein beeindruckender Schauspieler, sondern auch ein Mann mit einer beeindruckenden Biographie gewesen. Wer sonst kann seinen Regisseur Peter Jackson aus eigener Erfahrung aufklären, wie es klingt, wenn ein Mann von hinten erstochen wird?
Harry Rowohlts Tod macht mich deshalb betroffen, weil ich ihn mal persönlich kennengelernt habe. Wenn ich an ihn denke, denke ich gar nicht an Pu der Bär oder an den Penner aus der Lindenstraße. Ich denke an diese fünf Minuten nach der Lesung „Marx und Engels intim“ mit Gregor Gysi, 2011 im Schloss Neuhardenberg. Für meinen Artikel wollte ich gern noch ein paar Stimmen der Künstler haben. Während Gysi von seinen Bodyguards nach Ende der Veranstaltung zielstrebig aus der Kirche gelotst wurde, stand Harry Rowohlt ganz allein am Seitenausgang der Kirche und rauchte eine selbstgedrehte Zigarette.
An das Interview erinnere ich mich gar nicht so, ich stellte die üblichen Fragen. Aber ich erinnere mich an die gemütliche Stimmung, der weite Blick, die untergehende Sonne auf der weißen Kirchenwand. „Ich finde es furchtbar, wenn überall Zigarettenkippen herumliegen, auch als Raucher“, sagte Harry Rowohlt, als er am letzten Stummel angekommen war. „Ich zeige Ihnen mal einen Trick.“ Er rollte das letzte Ende der erloschenen Zigarette auf und ließ den Tabak wie ein Opfer an die Erde im Winde verwehen – er rauchte filterlos. Dann nahm er sein Feuerzeug zur Hand und ließ das Fitzelchen Papier geübt in Flammen aufgehen, ohne sich dabei die Finger zu verbrennen. Nur ein leichter Geruch von Ruß blieb zurück und Harry Rowohlt lächelte in seinen Bart über mein Staunen. „Sehen Sie, da bleibt keine Spur.“
Das war ein schöner und sehr persönlicher Moment, wie man ihn als Journalist mit einem „Promi“ selten erlebt. Und eins ist sicher: Ansonsten hat Harry Rowohlt in seinem Leben viele Spuren hinterlassen.