Wenn man sich an ein neues Genre wagt, sollte man sich damit beschäftigen, wa? Schon vor einer Weile habe ich einen Verlagsvertrag für ein „modernes Märchen“ beim Ashera-Verlag unterschrieben. Da hatte ich lediglich ein Bauchgefühl, was das eigentlich beinhaltet. Jetzt, wo ich tatsächlich angefangen habe zu schreiben, wollte ich doch mal nachrecherchieren, ob dieses Gefühl (das immerhin durch eine Resterinnerung an ein Literaturwissenschaftsseminar zu fantastischer Literatur gefüttert wird) überhaupt stimmt!
Was für absurde Definitionen es gibt!
Aber, liebe Güte, was findet man online für abstruse Behauptungen, wenn man Unterschied zwischen Fantasy und Märchen googelt! Eine „Agentur zur Leseförderung“ behauptet, dass Märchen verschlüsselt grundlegende Werte und Konflikte des Erwachsenwerdens vermittelten, während Fantasy „einfach nur unterhalten“ wolle. Haben die je ein Fantasybuch in der Hand gehabt? Das klingt für mich nach einer wenig differenzierten und snobistischen Ansicht. Das will ich hier gar nicht verlinken, lieber einen Blog vom Nornennetz über die angebliche „Trivialliteratur“: https://www.nornennetz.de/fantasy_nicht_trivial
Eine andere Quelle behauptete, dass sich Märchen an Kinder, Fantasy an ein älteres Publikum richte. Klar, schreiben wir die orale Erzähltradition allein Kindergeschichten zu und ignorieren gleichzeitig einen Großteil der fantastischen Kinderliteratur! Nicht!
Archetypen oder echte Charaktere?
Beim Weitersuchen begegneten mir schließlich die Merkmale, die ich vage von der Uni in Erinnerung hatte: Dass Figuren in Märchen eher Archetypen als Charaktere sind (deswegen haben sie oft nicht mal Namen, sondern werden als „der erste Sohn“, „das tapfere Schneiderlein“ oder „Schwesterchen“ bezeichnet). Gut und Böse sind klar getrennt – der böse Wolf, die böse Stiefmutter. – So viel zu Werte vermitteln, würde ich aus heutiger Sicht sagen: Was ist besser, Schwarz-Weiß-Malerei oder eine nuanciertere Fantasygeschichte, die Motive mit beleuchtet (immer vorausgesetzt, wir reden von einer gewissen Qualität)? Dazu passt, dass Fantasy eine ganze Welt erschaffen will, inspiriert von einer konkreten Zeitperiode, und die Handlung eine festgelegt Zeitspanne umfasst. Ein Märchen ist zeitlos („Es war einmal …“) und übernatürliche Elemente werden als gegeben hingenommen. Niemand erwartet ein ausgefeiltes Magiesystem von Rumpelstilzchen.
Was aber nun mit modernen Märchen? Neuinterpretationen versuchen, den Märchenfiguren echten Charakter einzuhauchen, Motivation und Ziele. Und eine ganz neue Geschichte? Ich verwende typische Elemente des Märchens und nehme sie unter die Lupe, untersuche die Werte, die sie vermitteln sollten – und ob die in unserer Gesellschaft noch angemessen sind. Da verschwimmen endgültig die Grenzen. Aber eins bleibt: das Fantastische!