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Am Samstagvormittag war es schön ruhig auf dem Messegelände – zu ruhig |
Ich hab mich in diesem Jahr bislang rar gemacht mit meinem Grenzverkehr. Dabei gäbe es einiges zu erzählen über meine Krimi-Recherchereise, mein abgeschlossenes Katzen-Manuskript und die Vermittlung meines Herzensprojekts. Mein Autorenstandbein ist ganz schön zapplig. Doch erstmal blicke ich zurück auf ein kürzliches Ereignis, das vielen als die #Apokaleipzig in Erinnerung bleiben wird: die Leipziger Buchmesse 2018.
Mein großer Vorteil: ein Geliebter, der in Leipzig wohnt. Connewitz ist zwar so weit weg vom Messegelände, dass ich mit der Straßenbahn 50 Minuten dorthin zockeln musste. Aber dafür erlaubt mir die Verbindung, noch vor dem Hauptbahnhof in die Tram 16 zu steigen und einen Sitzplatz zu haben, wenn der große Pulk die Bahn stürmt. Einmal stand direkt an meine Beine gepresst eine süße kleine Oma. Ich wäre so gern aufgestanden, um ihr den Sitz anzubieten, aber niemand konnte sich genug bewegen, um diesen Wechsel möglich zu machen. Auf meine Entschuldigung hin grinste sie einfach nur und sagte: „Ich stehe hier, ich kann nicht anders.“ (Selbst so kurz nach dem Lutherjahr hat übrigens der Großteil meiner ostdeutschen Freunde diesen Witz nicht verstanden, als ich ihn erzählte.) Selbst an jenem unseligen Samstagmorgen, an dem der ganze Leipziger Hauptbahnhof gesperrt wurde und anreisende Messebesucher sieben Stunden in liegengebliebenen Zügen strandeten (Geschichte aus erster Hand erzählt von einer Literaturagentin, die am Sonntag zwangsweise mit mir in der Straßenbahn kuschelte), kam ich auf diese Weise pünktlich um 9 Uhr am Messegelände an, um mich als Fachbesucher anzumelden.
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Freitagnachmittag ging es los – wie der Wetterbericht sagte |
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Samstagmorgen kam die Straßenbahn trotz Schneeverwehungen besser durch als die S-Bahn. Auch wenn der „Fahrplan ausgesetzt“ war |
Denn in diesem Jahr war ich wie die Jungfrau zum Kinde zu gleich zwei Vorträgen gekommen: zweimal hintereinander „Kopfkino für Fortgeschrittene“ mit meiner lieben Kooperationspartnerin, der Textehexe, im Rahmen der Leipziger Autorenrunde, danach in Halle 5 über den Pitch als wichtiges Werbemittel, mit Hans Peter Roentgen, einem absoluten Experten und Verfasser allgemein anerkannter Grundlagenwerke auf dem Gebiet. Zwei große Namen in der Branche – und ich als relativer Neuling. Ziemlich aufregend, um es milde auszudrücken.
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Offizielle Referentin |
Auch die Autorenrunde war von der Apokaleipzig gebeutelt, die Eröffnung begann zu spät („Die S-Bahn fährt nicht und meine Autotür ist eingefroren“, wie Ehrengast Poppy Anderson ihr morgendliches Erlebnis schilderte) und manche Dozenten kämpften sich den ganzen Tag durch Eis und Schnee, ohne je anzukommen. Als Susanne und ich zwanzig Minuten vor unserem Slot im Saal auftauchten, saßen schon so viele Autoren an unserem Tisch 13, dass die Dozentinnen sich Extra-Stühle heranrücken mussten. Direkt neben mir bemerkte ich ein bekanntes Gesicht. Ein sehr bekanntes, aber woher? Wir starrten uns eine Weile an, bis der Groschen fiel: Jana war meine Drittsemester-Patin gewesen, als ich als Erstsemesterin an die Eichstätter Uni kam, und hatte mir den Einstieg in das Journalistik-Studium erklärt. 16 Jahre später sind wir beide in der Buchbranche und sie eine erfolgreiche Selfpublisherin von dramatischen Romanzen. Und als sie mir am nächsten Tag beim Wiedersehen bescheinigte, dass unser Vortrag ihr am meisten mitgegeben habe, war ich sehr stolz.
Bei der zweiten Runde bildete sich ein kompletter zweiter Stuhlkreis hinter dem ersten um unseren Tisch und strikteres Zeitmanagement unsererseits machte es möglich, dass wir im Anschluss noch individuelle Fragen beantworten konnten zum Thema Show don’t tell (und wo es NICHT angebracht ist), Szenenaufbau und wie sie mit Figurenentwicklung zusammenhängt. Auf diesem verlinkten Foto bin ich sogar im Hintergrund zu sehen, am Rande des ersten Viertels von links, mit dem Rücken zum Gang (und leider auch zur Kamera), ganz in Rot und mit Filz-Blume im Haar.
Danach hatte ich nur eine knappe Stunde, um mein Gehirn zu entspannen und dann wieder für den Pitch-Vortrag hochzufahren. Einer meiner ersten Lektoratskunden überhaupt (und der einzige bislang, der mich im Rahmen meiner Arbeit zum Weinen brachte, und zwar NICHT etwa wegen Fehlern), Harald Schmidt alias H.C. Scherf, hat das dankenswerterweise fotografisch festgehalten. Und es gibt sogar einen archivierten Live-Stream, bei dem ich am Anfang sehr aufgeregt klinge. Aber dank Hans Peters Erfahrung und lieber Gesichter im Publikum ließ das schnell nach.
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Meiner Freundin Joan Darque ist es zuerst aufgefallen: „Rumänien, Land der Vampire – ob die deshalb diese Pfähle aufgestellt haben?“ |
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Die Schweizer wollten sich unbedingt beliebt machen |
Es war allgemein meine Buchmesse der Begegnungen. Am Freitag war ich eine Weile mit
Nils Krebber unterwegs, dessen Buch „Keine Helden“ ich im Lektorat hatte. Wir tranken Kaffee bei den Österreichern (natürlich!) und verglichen unsere größten (und beängstigendsten) Promi-Momente. Sehr hat mich auch die Gelegenheit gefreut, mal richtig ausführlich mit meinen Agenturkolleginnen zu plaudern (und von Mit-Vampir-Autorin Annika Dick ein Leckerchen abzustauben, mehr dazu später).
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Annika Dick, ich, Claudia Romes und Gabriele Ketterl |
Vieles ergab sich rund um den Stand des
Amrûn-Verlages. Als echter Bayer freute sich Verleger Jürgen Eglseer diebisch über mein
#Gnackzuuzler -T-Shirt. Und zufällig stand ich gleich hinter ihm und
Michael Marrak, als letzterer den Seraph-Preis für das beste Buch verliehen bekam. Reaktion des Autors nach der Verkündung seines Namens: „Joooooooh…“ Jürgen musste ihn regelrecht in Richtung Bühne schubsen.
Wovon ich übrigens gar nichts mitgekriegt habe, sind die
Tumulte rund um die rechten Verlage. Für Vorträge oder Lesungen blieb leider wenig Zeit, aber zu Tobias Winstels „Nebenbei Autor Sein? Tipps zum Zeitmanagement beim Schreiben“ habe ich es geschafft.
1. Anfangen, wenn der erste Impuls da ist
2. Technik und Techniken nutzen: Immer Notizbuch o.ä. dabei haben, sich selbst ein Exposé als Hausaufgabe aufgeben, um sich zu fokussieren, lesen, lesen, lesen. „Und Kaffee ist auch eine wichtige Technik.“
3. Sich selbst eine Deadline setzen. Manuskripte beenden.
4. Gezielten Leuten aus dem Freundeskreis verraten, dass man schreibt, damit sie nachfragen. Aus der Hand geben.“Das darf ruhig ein bisschen Angst machen. Wenn es nicht nervös macht, hat der Text nicht viel mit einem zu tun.“
Die Tipps waren gut, der Vortrag kurzweilig, aber eigentlich beherzige ich das meiste schon – außer, wenn ich es nicht tue, und dann kann mir keiner helfen. Die ersten Impulse, auch Plotbunnies genannt, muss ich ja öfter bekämpfen, wenn sie zum falschen Projekt kommen und sich wild vermehren. Übrigens gab es ausgerechnet dazu die perfekt passende Deko im Leipziger Bahnhof!
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Jetzt haben die blutrünstigen Viecher, die durch meinen Kopf hoppeln, endlich ein Gesicht! |
Der Sonntag war mein „freier Tag“, an dem ich später kam und früher ging und einfach mal durch die Manga-Halle schlenderte. Die alljährlich hochgekochte Diskussion, ob Cosplay zu der Buchmesse
gehört oder nicht, geht mir auf die Nerven. So bierernst muss sich der Literaturbetrieb nun wirklich nicht nehmen, wenn er gleichzeitig darüber jammert, dass die jungen Leute immer weniger lesen. Ich finde die Kostüme herrlich.
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Noch mehr (Plot?) Bunnies |
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Beste Security EVER |
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Na, ihr Romantiker? Einen anatomisch korrekten Herzanhänger gefällig? |
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Wunderschön elegant. Und das auf diesen Schuhen! |
Selbst am Freitagabend in Noel’s Ballroom (einem sehr stimmungsvollen Irish Pub, der seine Decke mit Whiskyverpackungen gepflastert hat und im Roman meiner Freundin Tali eine große Rolle spielt) lief ich auf dem Weg zum Klo einem Ork über den Weg. Als ich fragte, ob ich ein Foto machen dürfte, bejahte aus dem düsteren Gesicht eine überraschend helle Frauenstimme. Meine Freundin Kia, als sie das Bild sah: „Wenn ich nicht schon verheiratet wäre, würde ich jetzt darüber nachdenken. Ein Hoch auf die Ehe für alle!“
Insgesamt habe ich die Apokaleipzig mehr als gut überstanden und bin in seliger Unwissenheit an allen Schwierigkeiten vorbeigeschlittert. So freue ich mich einfach aufs nächste Jahr. Und stoße noch einmal an mit einer leckeren Blutkonserve (danke, Annika!).