Manchmal ist die Wortwahl entlarvend. Wolfgang Schäuble hat in einem Interview bei Phoenix verraten, dass Kanzlerin Angela Merkel „not amused“ sei angesichts der neuen Spionageaffären von US-Geheimndiensten. Übrigens: Deren oberste Repräsentant wurde nicht „ausgewiesen“, wie verschiedene Medien schreiben, auch wenn sich die Süddeutsche noch etwas glücklicher ausdrückt als die Welt. Die „Aufforderung zur Ausweisung“ (hä?) soll eben verhindern, dass die Bundesregierung zum ultimativen Affront greifenund ihn zur „persona non grata“ erklären muss. Mir scheint, die deutsche Medienlandschaft ist kollektiv überrascht, dass Merkel endlich mal klare Worte findet, nachdem sie beim NSA-Abhörskandal doch eher zurückhaltend agierte.
Wortwahl ist mein Thema. „Bei der britischen Königin würde man sagen: not amused“ war Schäubles genaue Aussage. Flapsig gemeint, klar, aber interessant. Ist Angela Merkel nicht nur „Mutti„, sondern auch Königin von Deutschland? Weil sie unangreifbar scheint, immer gediegen, repräsentativ, gefasst, selten echte Gefühle zeigt? Das Bild meiner Mutter von der englischen Königin wird durch eine winzig kleine Episode geprägt, die vor vielen Jahren im Fernsehen am Rande zu sehen war: Elisabeth II. kehrte von einem Staatsbesuch zurück und wurde am Flughafen mit allem Pomp empfangen. Mit dabei auch der kleine Charles, damals nur wenige Jahre alt, herausgeputzt an der Hand seiner Nanny. „Sie hat ihn nicht mal angesehen, während sie die ganzen Politiker begrüßt hat“, erzählt meine Mutter noch heute. Das hat sie der Queen nie verziehen, viel mehr als die zurückhaltende Reaktion angesichts des Todes von Lady Diana.
Den Faden kann man weiterspinnen: Die Queen regiert auf Lebenszeit – Merkel forever? bitte nicht! Aber tatsächlich scheint es aktuell keine Alternative zu ihr zu geben, solange der rote Koalitionspartner keinen Sympathieträger gegen sie aufstellen kann. Die englischen Royals stehen wie die deutsche Regierung unter Sparzwang. Und auch wenn Angela Merkel nicht zuletzt ob ihrer Frisur als Zielscheibe des Spottes angefangen hat, entwickelt sich ein Kult um ihren Stil, ob sie beim Fußball jubelt, beim Kanzlerduell eine scheinbar „falsche“ Kette trägt oder ihre Hände in der „Merkel-Raute“ hält. Die hat sie sich übrigens von Mr. Burns, dem Atomkraftwerk-Besitzer aus den „Simpsons“, abgeschaut und einfach umgedreht, damit sie nicht so böse aussieht – „ausgezeichnet“. Obwohl keiner so recht weiß, wofür Angela Merkel eigentlich steht, sind 71 Prozent der Deutschen mit ihrer Politik zufrieden. Selbst ich kann mir manchmal nicht helfen und freue mich, wenn ich sie als bunten Farbfleck inmitten der Anzüge anderer Regierungschefs stehen sehe. Dabei, finde ich, nutzt es nichts, sich über die erste Frau an der Spitze eines Staates zu freuen, nur weil sie eine Frau ist.
An einem Punkt hören die Gemeinsamkeiten zwischen Merkel und der britischen Monarchin auf: Die Queen ist zwar das Staatsoberhaupt von Großbritannien, hat aber keine wirkliche Macht. Den Eindruck macht Angela Merkel nun nicht, auch wenn man nicht genau weiß, welche Lobbyisten wo die Strippen zu ziehen versuchen. Würde sich Schäuble manchmal wünschen, „Mutti“ hätte nicht so den Daumen drauf?