Präsident #Trump – die Sonne geht trotzdem auf

Ich habe vorletzte Nacht geträumt, ich wäre mit einem Fernsehteam unterwegs. Das passiert mir manchmal, dass ich im Schlaf journalistisch arbeite. Meistens geht was schief: Eine Gruppe will sich nicht zum Foto aufstellen, ein Interviewpartner gibt nur nichtssagende Antworten. Es ist frustrierend und gibt mir das Gefühl, gar nicht geschlafen zu haben. In diesem Traum war ich bei Donald Trump zu Hause, um eine Homestory zu machen. In einer Pause beim Umziehen sagte ich zu meiner Schwester, die aus irgendeinem Grund dabei war, wie widerlich ich diesen Menschen finde. Und plötzlich war es Trumps Tochter, mit der ich sprach, und die meinte: „Wie können Sie sowas sagen? Er ist mein Vater!“ Sie verteidigte nicht, was er tat oder sagte, nur: Er ist mein Vater. Ja, auch Trump hat sicher Leute, die ihn ehrlich lieben und ihm viel verzeihen können, wie jeder von uns.

Offenbar hab ich eindeutig zu viele amerikanische Late Night Shows auf Youtube geschaut in letzter Zeit, wenn mich das Thema sogar bis in meine Träume verfolgt. John Oliver, der trotzdem immer versucht hat, andere wichtige Themen in den Mittelpunkt zu stellen, die über den Wahlkampfwahnsinn vergessen gehen. Seth Meyers, der immer etwas genauer hinschaute, dem aber manchmal auch die Witze ausgingen. Trevor Noah, der manchmal weniger mit Humor als mit ehrlicher Empörung kommentierte (und von dem ich hoffe, dass er jetzt nicht in den Untergrund abtauchen muss). Und natürlich Saturday Night Live mit einer gruselig treffenden Trump-Performance von Alec Baldwin und einem versöhnlichen Ende.

Als ich heute Morgen noch vom Bett aus auf meinem Smartphone die Ergebnisse las, wollte ich erstmal gar nicht aufstehen. Vier Jahre lang die Decke über den Kopf ziehen, hat auch was Reizvolles. Aber, wie Daniel Kahn singt: „Wenn wir alle nur innerlich emigrieren, wird alles nur zur Hölle gehen.“ Wie wäre es stattdessen mit wirklicher Emigration? Die Website der kanadischen Regierung, die über Bedingungen zur Einwanderung ins US-Nachbarland informiert, ist schon in der Nacht vor der Masse der Anfragen zusammengebrochen. Kann ich gut verstehen, ich liebe Kanada, das unter ähnlichen Bedingungen startete wie die USA und trotzdem heute erheblich weniger gesellschaftliche Probleme hat.

Muss ich wirklich erklären, warum ich Trump schrecklich finde? Nicht hier in Deutschland, aber anscheinend ist es den Anhängern in seinem Heimatland egal, dass sich der Mann einen Skandal nach dem anderen geleistet hat, von denen jeder einzelne jedem anderen Kandidaten das Genick gebrochen hätte. Traurig-amüsiert war ich darüber, dass im prüden Amerika nach allen rassistischen Kommentaren, absurden Mauerbauplänen und Steuertricks erst seine abwertende Art, über Frauen zu reden und sie sexuell zu belästigen für einen größeren Aufschrei gesorgt hat.

Aber nicht groß genug – und wir stehen da und fragen uns fassungslos: Wie kann man so wählen? Offenbar zählen Argumente nicht. Nicht der gesunde Menschenverstand, nicht Realismus. Trump bedient diffuse Ängste und liefert scheinbar einfache Antworten. Wer da einen historischen Vergleich zieht, gerät natürlich in die Schusslinie. Ich setze ja ein wenig darauf, dass der angeblich mächtigste Mann der Welt eben nicht besonders mächtig ist, sondern von einer Riege grauer Herren in Washington gelenkt wird. Hoffen, diesmal: Wer Obamas große Pläne vereitelt hat, kann diesmal Trumps Finger vom Knöpfchen halten. Denn, wie der Mann, der seit heute keinen Job mehr hat, sagte, nachdem Trumps Beraterteam in den letzten Tagen den Twitteraccount sperrte: „If somebody can’t handle a Twitter account, they can’t handle the nuclear codes.“

„Liebe AfDler, kommt doch einfach in die USA, denn hier habt ihr ganz viele tolle Freunde – wenn man euch reinlässt“, verkündet Böhmermann-Kollege Ralf Kabelka. Ja, wir haben schon längst solche Wutbürger wie die, die Trump gerade zum Präsidenten gemacht haben, in unseren Parlamenten. „Das Problem ist nicht der Präsident, sondern die Leute, die ihn gewählt haben“, sagte heute Morgen eine Freundin zu mir. Also geht alles den Bach runter? Ich zitiere den Tweet einer weiteren Freundin: „Es gibt solche Tage, da muss man tief durchatmen und dann weiter Kultur schaffen, die freundlich und menschlich ist.“ Mehr gibt es nicht hinzuzufügen.