Rechtes Recycling

Heute hat die NPD einen Wahlkampfstand am Vierradener Platz in Schwedt aufgestellt. Ja, die Drei-Prozent-Hürde ist gefallen und die Rechten wollen sich am 25. Mai ins EU-Parlament wählen lassen. Die Ironie, dass eine Partei, die mit Sprüchen wie „Schluss mit der EU-Diktatur“ geworben hat, jetzt Europa „mitgestalten“ will, dürfte selbst diesen Nasen nicht entgehen, oder? Ist das irgendein wahnwitziger Plan, das Parlament zu infiltrieren, um es handlungsunfähig zu machen und zu zerstören? Es gibt ja Leute, die sagen, das ist gar nicht nötig – die wahren Strippenzieher in Europa seien eh die Lobbyisten.

Wenn dem so sein sollte, müssen wir uns um einen Rechtsruck wenig Gedanken machen, denn die Neonazis haben einfach zu wenig Geld, um sich Freunde zu kaufen. Dass die NPD seit Langem am Rande der Pleite herumknapst, ist kein Geheimnis. Und für den aktuellen Europa-Wahlkampf muss sie – wie die Republikaner auch – ihre alten Bundestags-Wahlplakate recyceln. Ist das nicht herrlich, dass sie sich auch noch gegenseitig die Wählerschaft wegnehmen? Am Stand des Schwedter Bündnisses gegen Fremdenfeindlichkeit gegenüber herrschte auf jeden Fall erheblich mehr Publikumsverkehr.

2011 ist Schwedt  unrühmlich durch die überregionalen Medien getrieben worden, als der ehemalige Ausländerbeauftragte Ibraimo Alberto Schwedt verließ, angeblich auf der Flucht vor rassistischen Übergriffen. Die Lokalredaktion der Märkischen Oderzeitung zeichnete in etwas differenzierteres Bild. Ich kann aus eigener Erfahrung nur sagen: Eine Woche nachdem ich nach Schwedt gezogen war, wurde ich nachts von Geschrei geweckt: Irgendwer skandierte draußen auf der Straße Naziparolen. Es klang wie eine ganz Horde, aber als ich vorsichtig durch den Rolladen spähte, sah ich zwei junge Kerls, so besoffen, dass sie keine zehn Meter laufen konnten, ohne hinzufallen. Seither habe ich nur noch mit Schwedtern zu tun gehabt, die sich für den Erhalt des jüdischen Ritualbads einsetzen oder Anti-Rassismus-Konzerte organisieren.

Einige Medien verfahren im Zusammenhang mit Rechtsextremen nach dem Motto: Keine Plattform bieten, heißt: am besten komplett ignorieren. Falsch, sagen Politik-Forscher, und empfehlen stattdessen,  kontinuierlich über die Aktivitäten der Rechten zu berichten und sie – zum Beispiel mit Artikeln aus der Sicht von Opfern – richtig einzuordnen, statt sich von ihnen die medienwirksamen Skandale im Wahlkampf vordiktieren zu lassen. Karikaturisten und Kabarettisten gehen noch weiter und machen die Nazis zur Lachnummer. Hatte Walter Moers 2006 mit seinem „Bonker“ noch eine Diskussion ausgelöst, ob man über Hitler lachen darf, ist es heute gang und gäbe – und das zu Recht, wie ich finde. Das ist keine Respektlosigkeit gegenüber den Opfern, sondern hilft, einen Mythos zu demontieren. 

Der Großteil der Weimarer Bevölkerung empfand die „Machtergreifung“ am 30. Januar 33 nicht als einen Wendepunkt in der deutschen Geschichte, als den ihn die Nazis selbst im Nachhinein hochstilisiert haben. „Weder Fackelzüge noch blumenreiche Hymnen in der nationalsozialistischen Presse vermögen etwas daran zu ändern, daß Hitler beim Zustandekommen dieser Regierung, die zu Dreivierteln aus Deutschnationalen besteht, eine ziemlich passive Rolle gespielt hat…“, schrieb Erich Schairer am 5. Februar 1933 in seiner „Sonntagszeitung“. Hat er Hitler unterschätzt? Klar! Aber gleichzeitig zeigt die Lektüre im Nachhinein, dass der „Führer“ nicht von Walhalla eingeflogen kam, sondern zunächst einfach ein Politiker war. Einer, der das demokratische System nutzte, um an die Spitze zu kommen und es dann außer Kraft zu setzen. Genausowenig war die Presse im Dritten Reich allmächtig. Sie war komplett gelenkt, aber das wussten ihre Leser auch und mussten sie deshalb nicht ernst nehmen. 

Also, ich habe nichts dagegen, so oft und so laut wie möglich über Neonazis zu lachen. Der Angst keine Chance! 

P.S. Das Rätsel ist gelöst: Die Klicks aus Island – und mittlerweile auch Rumänien und Großbritannien – stammen von Freunden, die gerade in der Weltgeschichte herumgondeln. Na ja, dann verstehen sie wenigstens, was ich schreibe.