Ich möchte an diesem Internationalen Frauentag nicht über die großen Namen der Geschichte schreiben, die bahnbrechende Errungenschaften für die Rechte der Frau erkämpft und Grenzen überschritten haben. (Auch wenn ich gestern Abend ein sehr schräges Video auf einem meiner Youtube-Comedy-Kanäle entdeckte, wie junge Amerikaner unsere Kanzlerin und „mächtigste Frau der Welt“ wahrnehmen.) Mir geht es hier und jetzt nicht um Politik, sondern um Frauen, die mein Leben beeinflusst haben, ganz persönlich.
Vorbilder ist das falsche Wort. Ich habe keine Vorbilder in dem Sinne, dass ich wie jemand sein möchte. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden, um mit sich zufrieden zu sein. Das heißt aber nicht, dass es nicht Menschen gibt, die ich bewundere für Charaktereigenschaften und Dinge, die sie getan haben.
Frauen, die mein Leben prägten – da steht natürlich ganz vorne meine Mutter, ganz klar. Manche Ratschläge, die sie mir gegeben hat, haben sich mir einfach eingebrannt, auch wenn sie sich selbst teilweise gar nicht mehr an diese Gespräche erinnert. Immer sehr geradeaus: „Na, dann geh doch nach Neuseeland!“ Und in dem Kopf der Schülerin, die gerade von Fernweh lamentiert, macht es plötzlich „Plop“ und ich begreife, dass mir nach dem Abi wirklich jeder Weg offen steht. (Den ich mir leisten kann, aber diese Ernüchterung hat den Aha-Moment nicht geschmälert.) Es ist eben ein Unterschied zwischen es intellektuell wissen und tatsächlich begriffen zu haben. Ebenso, wie es mir sehr viel bedeutet hat, als ich ihr jüngst sagte: „Ich weiß, euch wäre es lieber, ich hätte einen festen Job und regelmäßiges Einkommen“ und sie antwortete: „Nein. Weil ich sehe, wie viel glücklicher du bist mit deiner Selbständigkeit.“
Sehr beeindruckt hat mich im Alter von 14 die Begegnung mit Chris in der Wildnis von British Columbia. Eine Biologin, die dort allein in einem selbstgebauten Holzhaus wohnte, das nur per Wasserflugzeug oder zu Fuß zu erreichen war. Sie erforschte die kanadische Tierwelt, führte kleine Gruppen Naturinteressierter über die Berge, zeichnete, schrieb auf ihrem solarbetriebenen Computer und backte wunderbares Brot in ihrem Holzofen. Jahre später habe ich sie mal gegoogelt, um überhaupt ihren Nachnamen zu erfahren, und eines ihrer Bücher gekauft. Wer mal richtig Fernweh kriegen will, muss sich nur ihren Blog anschauen!
Diese Kanada-Reise mit meinem Vater brachte mir die Begegnung mit einer zweiten tollen Frau ein: unserer Reiseleiterin Angelika. Sie war eine der ersten Berufs-Busfahrerinnen von Deutschland, auch wenn der Fahrprüfer sie wegen eines angeblichen Rechts-vor-Links-Vergehens durch die erste Prüfung rasseln ließ: „Der Fuß gehört auf die Bremse und eine Frau nicht hinter das Steuer eines Busses.“ Sie zwang mich, für den Rest der Gruppe die Übersetzerin zu spielen und mein Englisch zu üben, brachte mir das kraftsparende Laufen bei und organisierte am Ape Lake ein Boccia-Spiel mit runden Steinen. Sechs Jahre lang schrieben wir uns nach der Tour noch Briefe, und 2002 schloss ich mich wieder einer ihrer Reisegruppen an, diesmal ab anderen Ende der Welt, in Neuseeland.
Mein Leben wäre wahrscheinlich ganz anders verlaufen, hätte mich nicht kurz vor meinem 15. Geburtstag eine Elli Radinger angerufen. Sie hatte eine Kurzgeschichte von mir auf der Kinderseite unserer Zeitung gelesen und fragte, ob sie sie im „Wolf Magazin“ drucken dürfe. Das war der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit, die bis heute andauert: Anfangs schrieb ich Kurzgeschichten und Buchrezensionen, später groß angelegte Reportagen. Elli vermittelte mir den Kontakt zu Werner Freund, 2006 führte sie mich durch den Yellowstone Nationalpark auf Wolfbeobachtungstour für meine Diplompraxisarbeit. Allein ihre Biografie zu lesen, hat mich wohl langfristig dazu inspiriert, mich selbständig zu machen, obwohl sie eine derjenigen war, die mich am deutlichsten auf die Gefahren hinwies. Danke, meine Liebe!
Es gibt noch viele starke Frauen, die mein Leben begleitet haben (meine Deutschlehrerin Frau Stein, die Goethe vom Sockel holte und die ansteckendste Lache der Welt hat; Maria Held, meine Patin im Journalistik-Studium mit „Arbeitskaffee“ und den ermutigendsten Wünschen zum Diplom; Agathe Kunze, mit 91 Jahren eine brilliante Zeitzeugin für meine Diplomarbeit, die mich während meiner Zeit in Stuttgart regelmäßig zur „Veschper“ mit intellektuellen Diskussionen einlud, und viele andere). Und es kommen immer wieder neue hinzu, wie meine liebe Kollegin, die Textehexe, die mir den Start in die Selbständigkeit sehr erleichtert hat und großzügig ihre Erfahrung mit mir teilt. (Ich freu mich auf einen Zwergenschnaps in Leipzig!) Ihnen allen möchte ich auf diesem Weg vielen, vielen Dank sagen. Ihr seid klasse! Ich hoffe, ich kann irgendwann auch mal für ein Greenhorn so eine große Stütze sein.
toller Blogbeitrag, liebe Andrea! Was wären wir ohne die klugen, netten und hilfsbereiten Frauen in unserem Leben… So wie zB … Lektorinnen 😉
Ach du liebe Zeit. Da wollte ich nur mal schauen, was Andreas Rücken macht und finde mich plötzlich in diesem Posting wieder. Liebste Andrea. Gerührtesten Dank für die Ehre!!!
LG
Elli