Verliebt ins Böse

Wenn ich an das nächste zu schreibende Kapitel in meinem geheimen Vampirprojekt denke, schleicht sich dieses diabolische Grinsen von ganz allein auf mein Gesicht. Warum machen mir Antagonisten so viel Spaß, ob ich sie schreibe oder lese? Justin Prust fragt heute beim #Autorensonntag auf Instagram, woher diese Liebe für den „Bösewicht“ kommt. Denn es geht mir ganz offensichtlich nicht allein so. Und wenn ich schon ein Poster von Ravic im Arbeitszimmer habe wollte ich meine Gedanken zu dem Thema auch mit euch teilen.

Schon als Kind schauderte ich vor Shere Khan in Disneys Dschungelbuch und seiner ruhigen, höflichen und zugleich absolut bedrohlichen Art, Mowgli nachzuspüren, und war zutiefst beeindruckt. Und Anthony Hopkins‚ Hannibal Lector ist mir das erste, was mir zu „Schweigen der Lämmer“ einfällt, obwohl er nur eine gute Viertelstunde Screentime hat.

Zunächst mal sorgen Antagonisten für Spannung, denn sie schaffen Probleme. Jeder Antagonist ist der Protagonist seiner eigenen Geschichte und hält sich selbst für den Helden, lautet ein Schreibtipp, um sie dreidimensionaler zu machen – und damit interessanter. Manchmal haben sie auch edle Motive und „nur“ andere Methoden, sind bereit, über Leichen zu gehen. Ja, wenn man beide Seiten irgendwie verstehen kann, das Gefühl hat, wäre nur eine Kleinigkeit schief gegangen, hätte ich auf der anderen Seite gestanden … sorgt das für gutes Drama. Aber manchmal ist es auch einfach faszinierend, im absoluten Bösen zu schwelgen, wenn eine Figur so gar keine Grenzen kennt und sich nicht von Moral und Regeln hemmen lässt. Ein Gedankenexperiment. Katharsis.

Dafür, dass ich Antagonist*innen so mag, kommen erstaunlich wenige bislang in meinen Büchern vor. Sehr häufig sind meine Protagonist*innen mehr ihre eigenen Feinde, müssen etwas in sich überwinden: Mrri seinMisstrauen gegenüber Menschen, Isa ihr Misstrauen gegenüber Menschen … Roland im SF-Projekt kämpft zwar theoretisch gegen ein ganzes ungerechtes System, aber in Wahrheit mit seinen eigenen Ängsten und Minderwertigkeitskomplexen. Die Antagonist*innen sind gar nicht so wichtig oder müssen nicht Anragonist*innen bleiben … oder wenn man die Geschichte andersherum erzählen würde, könnten meine Protagonist*innen auch die Bösen sein (looking at you, Martin!). Ich liebe es, damit zu spielen, denn das Dunkle in uns selbst, gerade jene Faszination ist häufig Kern meiner Geschichten. Gerade No Pflock ist in der Hinsicht komplexer geraten, als ich es je geplant hatte, weil es sich auf viele unterschiedliche Weisen erzählen lassen könnte und wir in den seltensten denen die Daumen drücken würdem, für die wir es hier tun. Allerdings auch die Botschaft, dass wir es bekämpfen müssen und sollen, um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen. Denn nur, wenn wir uns des Raubtieres bewusst sind, können wir es zähmen.

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