Abschied vom Gnackzuuzler: „No Pflock“ nur noch bis Ende 2022 im Handel

Wisst ihr, ich hab keine Lust auf einen Jahresrückblick. Ich war die Hälfte der Zeit krank (erst psychische Erschöpfung nach den schlimmen Ereignissen von 2021, dann eine geplante OP, nach der die Regeneration länger dauerte als vorhergesehen, und zum krönenden Abschluss Corona, dessen Nachwehen ich bis heute spüre), ich habe alle Deadlines gerissen, keine Lesungen organisiert bekommen und nur eine einzige Messe besucht. Es geht zwar aktuell wieder etwas aufwärts – mehr dazu weiter unten -, aber viel wichtiger ist mir gerade: Ende des Jahres geht meine  Erstveröffentlichung „No Pflock“ aus dem Handel. Ja, fünf Jahre ist es her, dass der Fabylon-Verlag meinen „Lokalhorror“ (ich werde der Rezensentin ewig dankbar sein für diesen Begriff) auf die Welt losgelassen hat. Ich bekomme meine Veröffentlichungsrechte wieder und … bevor ich das erzähle, dachte ich, ich blicke ein wenig zurück.

Gerade erst dieses Wochenende habe ich in München das Schneewetter genutzt, um nochmal eine Location zu besuchen: das Dach des Bayerischen Hofs, wo Ravic erstmals einen Einblick in seine Pläne gibt.

Der Schnee fiel dichter und war nicht mehr so nass, die Flocken tanzten aus dem Nichts herab. Direkt gegenüber erhoben sich die beiden Zwiebeltürme der Liebfrauenkirche. Im Scheinwerferlicht wirken sie fast rot, weniger wie ein Haus Gottes als das seines Gegenspielers. An einer Ecke der Terrasse wartete ein Kellner unter einem Heizpilz, neben sich einen Tisch mit Warmhaltetopf, aus dem der aufdringliche Duft von heißem Wein, Orangen und Nelken drang. Der Mann zitterte in seinem korrekten aber zu dünnen Baumwollmantel, sein Blick ging durch sie hindurch. Dabei waren sie die einzigen Gäste auf dem Dach.
„Hier rüber.“
Alina fuhr herum und strauchelte. Martin legte eine Hand auf ihren Ellenbogen, sie wehrte sich nicht. Sie gingen an dem Kellner vorbei, um die Ecke des Glaskastens herum. Hier gab es keine Stehtische, keine Lampen, keinen Heizpilz, der Schnee lag höher und schimmerte golden, wo ihm der Schein aus dem Inneren der Bar berührte. Knapp außerhalb dieses Lichtkreises saß Martins Meister.

aus Kapitel 14: Das letzte Versuchskaninchen

Das Stiefkind

„No Pflock“ war, muss ich zugeben, zunächst kein Herzensprojekt. Als ich Menschenwolf endlich in eine vorzeigbare Fassung gebracht hatte und es nicht mehr meine ganze Kreativität fesselte, fluteten die Ideen geradezu mein Hirn. No Pflock und meine geheime Vampirtrilogie entwickelten sich zeitgleich, denn sie sind Paralleluniversen. Nicht zuletzt hat Ravic seine Ursprünge in meinem Werwolfroman gehabt, bis er aus der dritten Fassung rausflog. Als meine Agentin mir das Verlagsangebot unterbreitete, war mein zweiter Gedanke nach der ersten großen Freude: Ach, wäre es die Trilogie gewesen! Zum Glück nicht – an der arbeite ich seit Jahren im Hintergrund und bin mittlerweile froh, dass ich in aller Ruhe daran feilen kann. Aber  No Pflock hatte einen schlechten Start. Kaum hatte ich den Vertrag unterschrieben, ging nichts voran. Und die Angst wuchs: Würde ich gleich beim Verlagserstkontakt versagen?

Drei Dinge haben geholfen:

  1. Ich benannte die Hauptfigur um. Der erste Name war absichtlich unsympathisch gewählt, denn sie ist nicht sympathisch. Aber es fiel mir selbst unendlich schwer, an ihn ranzukommen, bis ich ihn in Martin umtaufte – (ohne respektlos sein zu wollen) ein neutraler Allerweltsname, ich hatte im Jahrgang meiner Schule fünf Stück davon.
  2. Abweichend vom Exposé fügte ich zwei weitere Perspektivfiguren ein: Ravic als den coolen Hund, der mir selbst am meisten Spaß machte und den Leser*innen offenbar auch. Manchmal beunruhigend viel, dafür, dass er ein Massenmörder ist. Er hat sogar die erste Fanfiction eines meiner Bücher inspiriert. Und Alina als moralisches Gegengewicht und Sympathieträgerin.
  3. Ich fing wieder an, mit der Hand zu schreiben, und entdeckte, wie viel leichter die Geschichte so aus mir herausfloss. Das behalte ich jetzt bei und es funktioniert super.

Dass mich dann Anfang 2016 der Bandscheibenvorfall auf die Bretter schickte, machte den Schreibprozess nicht leichter. Aber ich hielt durch und verfasste das blutige Finale auf dem Rückweg von der Leipziger Buchmesse im Zug. Überhaupt schrieb ich viel im Zug, weil ich da gerade meine Fernbeziehung mit meinem Partner begonnen hatte. Einmal strandete ich sogar fast nachts auf einem Brandenburgischen Kaffbahnhof, weil ich so in meine Geschichte versunken war, dass ich den Umstieg verpasste. Zur gleichen Zeit bildete sich meine Schreibgruppe in der Schreibnacht und meine neuen Freundinnen machten mich mit dem Konzept eines Projektsoundtracks bekannt, der immer weiter wuchs. Seither bekommt jedes meiner Bücher einen, ihr findet sie auf YouTube: https://www.youtube.com/@Heffeth/playlists

Und bei dem Geruch der Druckerschwärze kamen mir die Tränen
Als das Paket ankam, musste ich mir erstmal einen Whisky einschenken.

Die Veröffentlichung

Ach, was war das Lektorat von Verlegerin Uschi Zietsch eine Freude – weil ich merkte, wie sehr sie das Buch mochte. Sie hat mir jede Unterstützung zukommen lassen: Als mir das Cover nicht gefiel und ich es ihr mit Bauchschmerzen gestand (ich wollte ja nicht beim Erstling die schwierige Autorin sein), legten sie und der Grafiker eine Nachtschicht ein, um es zu ändern und mich glücklich zu machen. Für meine Lesung in Eichstätt (dazu unten mehr) druckte sie wunderschöne Plakate, von denen eines immer noch in meinem Arbeitszimmer hängt. Sie schlug die Geschichte sogar bei „Buch meets Film“ der Bayerischen Filmfestspiele vor. Es wurde nicht angenommen, aber ein paar Tage lang träumte ich heimlich von der Chance, meinen Stoff auf der Leinwand zu erleben. Auch wenn der Schauspieler, der das optische Vorbild für Ravic ist („I haven’t felt guilt since the 11th century“ – der Satz könnte 1:1 von Ravic sein, nur, dass es bei ihm, wenn überhaupt, erheblich länger her ist), erstens mittlerweile zu alt ist und zweitens nicht mehr zur Verfügung steht, weil er als Arzt arbeitet. Als das Buchpaket bei mir eintraf, war ich außer mir vor Freude – einen Roman in der Hand zu halten, der komplett meinem Geist entsprungen war, ist nochmal was ganz anderes als ein Sachbuch.

Lesung am Ort des Geschehens: das Gutmanns in Eichstätt, auf Einladung des Kulturkreises der Universität. Bild: Robert Scharold

Beste und schlechteste Lesung aller Zeiten

Mit No Pflock gab es viele „Erste Male“: Die erste Lesung eines Romans von mir in der Schwedter Stadtbibliothek vor exakt acht Menschen, von denen die Hälfte meine Freunde waren, einer ein Fan meines Schwedt-Buchs, der sich das einfach signieren lassen wollte und dann aus purer Neugierde da blieb, ein einziger Vampir-Fan und die Mitarbeiterinnen des Hauses. Meine Freundin Anna machte Fotos und sagte hinterher: „Am Anfang warst du verkrampft, aber dann kam die Ravic-Szene und du hast nur noch gegrinst.“ Ja, bei aller Aufregung: Ich habe es genossen. Fun Fact zum T-Shirt: Nachdem gerade der Nichtlustig-Shop vom Netz gegangen war, schrieb ich Künstler Josha Sauer an, um zu fragen, ob ich diesen mehr als passenden Comic zum Titel auf ein T-Shirt drucken dürfe. Er schickte ihn mir in hoher Auflösung und wünschte mir viel Spaß. So lieb!

Von links: Erleichterte Autorin nach ihrer ersten Lesung. Herr Kinedt begrüßt mich in der Residenzbuchhandlung Weilburg und lobt meine Art, Atmosphäre zu schaffen. Zünftig „Blut“ ausschenken auf der FilkCon.

Allerdings zeigte dieses Erlebnis, dass die Schwedter nicht gerade die größten Fantasy-Fans waren. Deswegen hatte ich auch Bedenken, als die Wohnungsbaugenossenschaft mich im darauffolgenden Sommer als „Pausenunterhaltung“ bei ihrer alljährlichen Mitglieder-Fahrradtour engagieren wollte. Aber der Vorstand war optimistisch und neugierig. Es war ein absolutes Desaster: Verregneter Tag, Open-Air, alle Leute müde von der Tour und hauptsächlich an den Bratwürsten interessiert. Nicht, dass sie die Lesung gestört hätten – dafür schätzten sie mich zu sehr und waren zu höflich. Aber genau das war es: höflich. Auch der Applaus. Nicht der kleinste Funke sprang über. Ich konnte innerlich nur auf Galgenhumor umschalten und mich über die ganze vertrackte Situation amüsieren. Dafür hatte ich später noch einige wunderschöne Schwedtbuch-Lesungen im Auftrag der Wobag.

Herrlich war dagegen die erste Lesung in meiner alten Heimat  in der Buchhandlung meines Vertrauens vor meiner Familie und meinem Freund, als Überraschungsgäste die Besitzerin des Limburger Schokoladenhauses, deren Stammkundin ich bin (heiße dunkle Schokolade mit Chili!) und eine alte Grundschullehrerin, die ich ewig nicht gesehen hatte. Hinterher ließ sie sich ein Exemplar mit Vornamen signieren und bot mir zeitgleich das Du an. Ich war so stolz! Trotzdem merkte ich im Herbst bei der FilkContinental, was für einen Unterschied es macht, vor einem Publikum zu lesen, das Fantasy absolut liebt. Sehr gut kam natürlich auch der Kirschmet aus dem Blutbeutel an. Eine Steigerung dazu gab es nur noch im Frühjahr darauf, als ich an den Ort des Geschehens und der Inspiration zurückkehrte: Eichstätt.  Vor vierzig Studenten zu lesen, die als einzige die ganzen Anspielungen auf Stadt und Unibetrieb verstehen und sich schier lachend auf dem Boden wälzen, ist einfach genial. Obendrein wurde ich zum Essen eingeladen und konnte meinen Gastgebern sogar noch live vorführen, was ursprünglich der Ideengeber für den Titel gewesen war: Der Aufkleber an der Regenrinne ist immer noch da, wenn auch lädiert.

Wie geht es weiter?

Je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr tolle Dinge fallen mir ein: wie das T-Shirt mit #Gnackzuuzler (ein Begriff, den mein bayerischer Dialektberater Robert mit mir erfunden hat und den wir leider nicht im allgemeinen Sprachgebrauch etablieren konnten) auf der WorldCon in Irland Aufmerksamkeit erregte, das coolste Interview aller Zeiten mit Eulenzaubers Bücherkiste, wie meine Freundin Frau Vorragend No Pflock für eine Online-Lesung auswählte … Nebenbei haben sich meine Vampys fest in meinem Kopf eingenistet und weiterentwickelt, was zu mittlerweile zwei Kurzgeschichten führte, von denen eine online zu lesen ist und die andere noch im Bewerbungsverfahren für eine Anthologie.

Jetzt ist also einfach Schluss? Nicht unbedingt. Meine Agentur wird es wieder auf Reise schicken durch die Verlage. Mehr noch: Eigentlich könnte ich mittlerweile eine Quatrologie anbieten. No Pflock, Ravics wahre Entstehungsgeschichte, ein Spinoff, der die Vampirpolizistin Liza näher beleuchtet, und eine Fortsetzung. Ob ich das wirklich umsetzen werde, weiß ich noch nicht. Besonders bei Ravic bin ich mir unsicher: Er ist eine so mysteriöse Gestalt, die für viele das Besondere des Buches ausmacht. Kann ich das nicht nur kaputt machen? Was auch immer sie sich über ihn ausgemalt haben, ob er wie Methos [SPOILER für eine 30 Jahre alte Serie] ein ägyptischer Pharao war oder ein riesiger Aufschneider und nicht annähernd so alt, wie er vorgibt … Wahrscheinlich ist das viel spannender im Kopf der Leserschaft, als meine „Wahrheit“ je sein könnte. Wie oft wurde es nur enttäuschend, wenn man endlich die Vorgeschichte ibs. eines gehypten Bösewichts kennenlernte? Deshalb meine ernsthafte Frage: Sollte ich die Ravic Origin überhaupt schreiben und einem Verlag anbieten? Was wären in euren Augen Argumente dafür oder dagegen?

Als nächstes steht ohnehin erstmal einiges für den Ashera-Verlag an. Zunächst natürlich der Cosy Crime, dessen offizielle Deadline schon Ende letzten Jahres war. Dafür überrasche ich mich eventuell und werde meine selbst gewählte Deadline für die Rohfassung  – dieses Silvester – wider Erwarten doch noch einhalten. Mal sehen, was mein Körper sagt. Dann folgen eine romantische Weihnachts-Geschichte für eine Anthologie und ein modernes Märchen. So schnell langweile ich mich also nicht.

Euch also erstmal eine hoffentlich geruhsame Adventszeit, frohe Weihnachten oder zumindest entspannte freie tage und einen guten Rutsch ins Jahr 2023! Möge es besser werden!

Weihnachtlich geschmückter Festsaal im Augustiner keller München – noch ein No Pflock-Schauplatz

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